Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (2024)

Während letzten Monat in Japan ein neuer Essay-Manga von Minetaro Mochizuki angelaufen ist, warten deutschsprachige Fans aktuell auf den Release der Dragon Head-Neuausgabe. Noch bevor die fünfteilige Perfect Edition bei Carlsen Manga! startet, werfen wir einen Blick auf ein bislang scheinbar kaum beachtetes Werk des Mangakas: Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft.

Der Vierteiler ist zwischen Februar 2018 und Oktober 2018 bei dem Hamburger Herausgeber erschienen. Alle vier Bände sind als großformatige Klappenborschur mit einem jeweiligen Gesamtumfang zwischen 216 und 244 Seiten angelegt. Preislich liegt der Manga bei 14,90 € pro Band. Eine E-Book-Ausgabe ist bislang nicht angekündigt – dass diese noch folgt, ist zum aktuellen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich.

Inhaltsbeschreibung

Ein verheerendes Feuer im Tokyoter Stadtteil Ichinomachi hat reihenwese Häuser zerstört, die Holzbauten haben über Stunden wie Zunder gebrannt. In dieser Nacht sind auch die beiden Gebäude der Zimmerei Daitome abgebrannt, das geschäftsführende Ehepaar konnte sich nicht mehr aus den Flammen, aus dem dichten Qualm, retten. Sowohl der Chef als auch seine Ehefrau sind dem Feuer zum Opfer gefallen.

Nun ist es an Sohn Shigeji, dem sogenannten Jungmeister, den Traditionsbetrieb wieder aufzubauen. Nachdem er sich vor Jahren erst seinem Studium gewidmet und danach auf Weltreise begeben hat, muss er sich jetzt überraschend der Verantwortung eines Geschäftsführers stellen. Dabei weigert er sich, Geld von einem ehemaligen Angestellten Daitomes, der nun ein eigenes Geschäft führt, anzunehmen – er besteht vehement darauf, das Familienerbe aus eigener Kraft wiederaufzubauen.

Auch die Wohlfahrtseinrichtung ist durch den Brand unbewohnbar geworden. Fünf Kinder stehen ohne Zuhause dar. Ritsu, eine junge Frau und Kindheitsfreundin Shigejis, die für den Privathaushalt eingestellt wird, nimmt die Heranwachsenden auf – jedoch sind diese in ihrer Art alle rebellisch. In der Nachbarschaft ist die Gruppe längst als verbrecherische Blagen verschrien. Der Umgang mit den fünf ist schwierig. Es fehlt ihnen Erziehung, aber auch an Zuwendung.

Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (1) Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (2)
© 2013 Minetaro MOCHIZUKI, Shugoro YAMAMOTO / SHOGAKUKAN.

Schon seit über einem Jahr sind die fünf Kinder nicht mehr zur Schule gegangen. Yuko, Tochter des örtlichen Bankdirektors und eine weitere Kindheitsfreundin von Shigeji, bietet daraufhin an, sie zu unterrichten. Sie verfügt über staatlich anerkannte Pädagogikkenntnisse und ein hohes Einfühlungsvermögen. Ihr gegenüber fühlt sich Ritsu, die bis zum Tod ihrer Mutter zuletzt als Hostess gearbeitet hat, allerdings zunehmend minderwertig. Trotzdem möchte sie versuchen, für Shigeji und die in Obhut genommenen Kinder eine Stütze zu sein.

Shigeji steht damit vor einer ganzen Reihe an verschiedenen Herausforderungen. Er muss einen Weg finden, die Daitome-Zimmerei wiederaufzubauen. Dafür benötigt er jedoch die entsprechenden Mittel, neben den Finanzen ist vor allem gutes Personal wichtig. Dieses wiederum setzt Vertrauen gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Auch privat muss für einen reibungslosen Ablauf alles stimmen. Der Weltenbummler muss sich nun beweisen – im geschäftlichen wie auch im zwischenmenschlichen Sinne …

Die Geschichte basiert auf der gleichnamigen Novelle von Shugoro Yamamoto, die erstmals 1957 in der Literaturzeitschrift Kodan-Club veröffentlicht wurde. Für die Manga-Adaption wurde das Setting in die Moderne versetzt, ursprünglich ist die Handlung in der Edo-Ära angesiedelt. Mangaka Minetaro Mochizuki hat die vorliegende Neuinterpretation in insgesamt vier Bänden umgesetzt.

Visualisierung

Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch setzt sich Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft von der Masse ab – und das ohne in komplizierte Verkünstelungen zu verfallen. Minetaro Mochizuki hat die Geschichte in einen realistisch-orientierten Zeichenstil gebettet. Auf mangatypische Ausgestaltungen wie Funkel- und Glitzereffekte sowie übermäßige Soundwords wurde dementsprechend bewusst verzichtet.

Durch die Größe und Textlastigkeit der einzelnen Panels wird der Lesefluss kontrolliert. Die zahlreichen großformatigen Darstellungen, die sich mitunter über eine gesamte (Doppel-)Seite erstrecken, laden dabei sowohl zum zügigen Weiterblättern als auch zum Verweilen und Bestaunen ein. Die Entscheidung darüber, liegt natürlich stets individuell beim Publikum.

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Neben dem obigen Teaser-Clip des französischen Herausgebers Le Lézard Noir bietet sich die offizielle Leseprobe von Carlsen Manga! an, um einen Blick in das Buchinnere zu werfen. Die hier hinterlegte Preview umfasst mit rund vierzig Seiten das komplette erste Kapitel. Die der Geschichte zugrundeliegende, oben beschriebene Prämisse kann damit selbst noch einmal nachgelesen werden.

Prinzipiell wäre es für weitere Eindrücke auch möglich, im Handel vor Ort reinzublättern – die Reihe ist nicht eingeschweißt. Allerdings ist Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft hierzulande bereits vor mehr als drei Jahren gestartet, entsprechend dürfte der Titel nur noch selten in den Ladenregalen zu finden sein. Auf Wunsch dürften es Fachhändler in der Regel aber auch zur Ansicht bestellen.

Fazit

Einigen wird Mangaka Minetaro Mochizuki durch die alte, beim heutigen Panini Manga erschienenen, Dragon Head-Ausgabe bekannt sein. Mit Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft hat er eine gänzlich andere, aber sicherlich nicht weniger interessante Arbeit vorgelegt. Die Reihe ist als Special-Interest-Titel gelabelt – in gewisser Weise trifft das sicherlich auch zu, gleichzeitig steht die Geschichte wegen der vergleichsweise einfach zugänglichen Prämisse aber grundsätzlich einer recht breiten Leserschaft offen.

Die Handlung stellt einen bestimmten Lebensabschnitt aus dem Leben von Shigeji dar, das Ende ist dahingehend befriedigend, aber nicht unbedingt erschöpfend. Auch im Verlauf verbleibt die inhaltliche Darstellung stellenweise etwas vage. Es liegt also mitunter an der Leserschaft, das Geschehen weiterzudenken. Gleichzeitig sind durch die personale Erzählweise tiefe Einblicke in die Gedankenwelt des Protagonisten, und vereinzelt auch in die der anderer Figuren, gewährt. Als kritisch betrachten wir dagegen die allgemeine Erzähldynamik, die wiederholt ausufert – die Entwicklungen verlaufen teilweise zu plötzlich, wirken übereilt. Optisch besticht das Werk jedoch vollumfänglich.

Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (3) Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (4)
© 2013 Minetaro MOCHIZUKI, Shugoro YAMAMOTO / SHOGAKUKAN.

Wir empfehlen den Vierteiler all jenen, die für Slice-of-Life- und Drama-Werke abseits des Manga-Mainstreams empfänglich sind, sicher aber auf nichts allzu Spezielles einlassen möchten. Wem beispielsweise Titel wie Taiyo Matsumotos Sunny zusagen, dürfte auch Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft schätzen – nicht zuletzt wegen dem Bezug zu den elternlosen Kindern.

Inwiefern die Neuinterpretation im direkten Vergleich zur Vorlage gelungen ist, ist für uns an dieser Stelle schwierig zu beurteilen, da die zugrundeliegende Novelle von Shugoro Yamamoto bislang weder auf Deutsch noch auf Englisch vorliegt. Wer aber an dem Original-Werk interessiert ist und die japanische Sprache beherrscht oder bereit ist, eine maschinell übersetzte Fassung zu lesen, kann dieses über den kostenfreien Online-Bibliotheksservice Aozora Bunko beziehen.

Abschließend bedanken wir uns herzlich bei Carlsen Manga! für die Bereitstellung von Belegexemplaren, die diesen Artikel ermöglichen.

Besprechung zu „Chiisakobee – Die kleine Nachbarschaft“ (2024)
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Author: Dean Jakubowski Ret

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